Auf der Suche nach den letzten Schnarrschrecken Brandenburgs

Ehemaliger Truppenübungsplatz Tangersdorfer Heide, heute das Naturschutzgebiet "Kleine Schorfheide"
Ehemaliger Truppenübungsplatz Tangersdorfer Heide, heute das Naturschutzgebiet "Kleine Schorfheide"

In diesem Jahr wollte ich mich wieder verstärkt den Heuschrecken widmen. Daher freute ich mich besonders auf einen Termin Anfang August, bei dem es in die Tangersdorfer Heide im Norden Brandenburgs gehen sollte. Es handelte sich um ein Treffen des Arbeitskreises Heuschrecken in Brandenburg & Berlin. Organisiert innerhalb des Landesfachausschuss Entomologie des NABU Brandenburg handelt es sich um eine Gruppe von Heuschreckenkundlern aus der Region, die sich intensiv mit dieser Artengruppe und deren Verbreitung beschäftigen.


In diesem Jahr lag der Schwerpunkt auf der Rotflügeligen Schnarrschrecke (Psophus stridulus), die in Norddeutschland nur noch an einer bekannten Stelle in Brandenburg vorkommt. Früher war die Art wesentlich häufiger, vor allem auch im Berliner und Potsdamer Raum. So schrieb beispielsweise der bekannte Entomologe Friedrich Zacher im Jahr 1917 noch „Verbreitet und häufig, aber lokal (…), hauptsächlich auf Waldblößen, aber auch auf einer feuchten Wiese (…) nicht selten beobachtet“. Doch so ist es schon lange nicht mehr, denn bereits zu DDR-Zeiten galt die Art in der Region als ausgestorben bzw. verschollen. Erst 1994 konnte die Art nach Abzug der Sowjetarmee in der Tangersdorfer Heide für Brandenburg wiederentdeckt werden. Danach gab es noch wenige weitere Funde in der Lausitz oder auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Trampe bei Eberswalde. Diese konnten aufgrund der starken Lebensraumveränderungen aber nur über wenige Jahre beobachtet werden und gelten aktuell als erloschen. Daher muss das Vorkommen in der Tangersdorfer Heide als einziger Fundort in Brandenburg und ganz Nordostdeutschland angesehen werden.

 

Das Vorkommen der Rotflügeligen Schnarrschrecke in der Tangersdorfer Heide befindet sich auf einer Fläche, die extensiv mit Ziegen gepflegt wird und ist räumlich eng begrenzt. Die Population ist mit jährlich weniger als 50 Tieren auch nicht sehr groß, besteht an dieser Stelle aber nachweislich schon seit 20 Jahren. Um hier ein Aussterben zu verhindern, wollten wir mehr über die Art erfahren und trafen uns daher in einer Gruppe von elf Personen, um das Vorkommen zu untersuchen. Es war schön, die vielen bekannten Gesichter mal wiederzusehen

 

Um eine genaue Populationsabschätzung durchführen zu können, wurden die gefundenen Tiere individuell farbmarkiert. So konnten wir Doppelzählungen vermeiden und wollten versuchen über anschließende Fang-Wiederfangversuche die Wanderungsbewegungen und den Aktivitätsraum der Tiere zu bestimmen. Die Schnarrschrecken wurden mit dem Kescher behutsam gefangen und mit einem oder mehreren Punkten markiert. Dazu wurde das Pronotum (also das Halsschild) in verschiedene Bereiche eingeteilt, welche für jeweils eine Zahl standen. Über die genaue Position und die Anzahl der Punkte war so eine individuelle Nummerierung der Tiere möglich. Gleichzeitig wurden von jeder Stelle die genauen GPS-Koordinaten erfasst und eine kurze Vegetationsaufnahme erstellt.

 

Da wir bislang nur Vermutungen darüber anstellen können, warum die Art in der Tangersdorfer Heide nur in einem eng begrenzten Gebiet vorkommt, wollten wir noch weiterforschen. Wir versuchten von allen Tieren vor der Farbmarkierung Kotproben zu bekommen. Diese Proben werden in der nächsten Zeit genetisch untersucht. Die Technik ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass sich so feststellen lässt, welche Pflanzenarten die Tiere in der Tangersdorfer Heide bevorzugt als Nahrung nutzen. Das ist wichtig, denn vermutlich hängt die Verbreitung mit dem Anteil und der Verteilung der krautigen Pflanzen, wie dem Kleinen Habichtskraut (Hieracium pilosella) zusammen. Deren Verteilung im Gebiet wiederum kann mit der Art der Beweidung der Flächen zusammenhängen, dass muss aber geprüft werden. Nur mit diesem wertvollen Grundlagenwissen dürfte es möglich sein, diese besonders hübsche und auffällige Heuschreckenart auch für die Zukunft in Brandenburg erhalten zu können.